Donnerstag, 27. August 2009

Wo bleiben die leiblichen Kinder?


Ambitionierte Eltern, die mit dem Gedanken spielen, Kinderdorfeltern werden zu wollen, sollten Ihre eigenen leiblichen Kinder im Fokus behalten. Niemand wird den Eltern vollständig Auskunft geben, was sie bei der neuen Aufgabe erwartet. Die Kinderdorfidee hat sich nach über 50 Jahren gründlich geändert und sie spricht auch heut nur noch Menschen an, die eine Tendenz zur Selbstausbeutung haben.

In der Stellenanzeige eines Trägervereins in Norddeutschland, für Kinderdorfeltern steht beispielsweise:

Sie haben die Chance, Arbeitsplatz und Privatleben unkonventionell miteinander in Einklang zu bringen. Sie erhalten eine umfassende Unterstützung durch weitere Fachkräfte in der Familie.

Dieser Satz ist insofern von Bedeutung, weil hier die ganze Tragweite des eigenen Tuns und der Verantwortung angetippt wurde. Das Wort Chance bedeutet, keine Garantie. Sollte ich scheitern, trage ich die Verantwortung, will sagen, ich hätte wissen müssen auf was ich mich einlasse. Das Wort "unkonventionell" ist eine diplomatische Umschreibung, für chaotische und menschlich belastende Verhältnisse. Was ist es sonst, wenn traumatisierte Pflegekinder auf Weisung des Jugendamtes die drogensüchtige leibliche Mutter besuchen müssen (Eltern- Kindkontakt ist Bestanddteil der Hilfeplangespräche), z.b. über die Weihnachtsfeiertage, und nach dem Besuch mit all ihren Agressionen und Verunsicherungen wieder aufgefangen werden müssen. Die Pflegefamilie ist nach einem Eltern-Kind Kontakt ein Unruhezustand.

Dies wird auch den eigenen leiblichen Kindern zugemutet. Die frühkindliche Konfrontation mit Elend und Not in Familien, bedeutet nicht zwingend eine Entwicklungsförderung für den eigenen Nachwuchs. Das Gegenteil ist der Fall. Das eigene Kind ist ständig und stetig einem Konkurenzverhältnis ausgesetzt. Ich behaupte, das es auch traumatisiert wird, wenn es nicht in die Familiensituation hineingeboren wurde. Kinder der Kinderdorfeltern verlieren ein stückweit ihre Eltern, weil sie die Aufmerksamkeit und Orientierung teilen müssen. Sie sind in einem Wettbewerbsnachteil, weil die Techniken und Möglichkeiten der Pflegekinder im Streben nach Zuwendung und Aufmerksamkeit, in der Regel erfolgreicher sind, im Vergleich zu denen des eigenen Kindes, für das die elterliche Zuwendung bisher selbstverständlich war.

In Kinderdorffamilien gibt es sexuelle Übergriffe unter Kindern, und das nicht selten. Auch die leiblichen Kinder sind dieser Gefahr ausgesetzt und oftmals Opfer. Diesbezüglich werden keine Statistiken geführt, auch bei den Jugendämtern werden keine Zahlen bereitgehalten. Dies ist ein Hinweis, das dieses offensichtlich bestehende Problem ungelöst ist und unter Verschluß gehalten wird. Für die Kinder gilt: Geschehenes kann nicht ungeschehen gemacht werden. Für die Einrichtung gilt: Sie wußten von der Problematik Ihrer Pflegekinder. Als Hauseltern tragen Sie die Verantwortung.

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