Montag, 26. Oktober 2009

Ungeeignet für eine Therapie?

Wer in einem Kinderdorf arbeiten will, sollte ungefähr wissen was in einer "familienähnlichen" Situation passieren kann. Besondere Verhaltensauffälligkeiten bei Pflegekindern, was in der Praxis die Regel ist und somit nicht besonders hervorgehoben gehört, werden in der Regel mit einem Therapiegespräch begegnet. Den Jugendämtern gegenüber wird mit dem Vorzug eines einrichtungsinternen Psychologen versucht zu punkten. Der Istzustand eines fremduntergebrachten Kindes wird mit einem sogenannten Aufnahmegespräch mit dem Kind festgestellt. Eine zweite unabhängige Einschätzung wird nicht eingeholt, das erstellte Protokoll wird zur Meinungsbildung und Zukunftsgestaltung für das Pflegekind benutzt und oft fahrlässig bei sogenannten Hilfeplangesprächen verwendet. Das Meinungsmonopol des einrichtungseigenen Psychologen ist in den seltensten Fällen förderlich im Sinne zum Wohl des Kindes. Eine als dramatisch geschilderte Aufnahmesituation, läßt sich schon nach kurzer Zeit als Erfolg bei der gewählten Unterbringungsform, darstellen. Motto: Die Einrichtung tut dem Kind gut.
In Kinderdörfern werden längst nicht mehr nach dem Kriterium einer familienverträglichen Unterbringung, hilfebedürftige Kinder fremduntergebracht. Geschwisterpaare und Gruppen werden nicht, wie zu Gründerzeiten üblich, zusammen in Pflegefamilien versorgt. Die Kinderdorfidee ist überlebt und nicht mehr als zeitgemäße Unterbringungsform zu bezeichnen. Es sind die wirtschaftlichen Zwänge, die dazu führen, das auch Kinder mit größten seelischen und geistigen Defekten in einem Kinderdorf aufgenommen werden. Nicht selten wird wider besseren Wissens, das kritische Studium der Personenakte aus der Kinder- und Jugendpsychatrie hätte genügt, eine Unterbringung in einem "familienähnlichen" Verbund probiert und experimentiert. Der Preis ist unkalkulierbar. Das was früher einmal Kinderdorffamilie genannt wurde, kommt nie zur Ruhe und bekommt nie den stabilisierenden Status einer Familie. An der Idee eines stärkenden Verbundes für den Einzelnen kann nicht gearbeitet werden. Die Eltern haben bei der Zusammensetzung ihrer Kindergruppe praktisch kein Mitspracherecht, weil unter wirtschaftlichen Aspekten längst alles aufgenommen wird was angeboten wird.
Eine besonders ausgeprägte Form von Ohnmacht erlebt man als Pflegeeltern, wenn nach nicht übersehbaren Verhaltensauffälligkeiten, dann doch die Hilfe und Mitarbeit eines einrichtungsfremden Psychologen in Anspruch genommen werden muß. Was macht man, wenn diese unabhängige Fachkraft die Feststellung trifft, Ihr Pflegekind ist für eine Therapie ungeeignet! ? Was man längst selbst geahnt hat, reift zu einer Erkenntnis. Bedauerlicherweise führt dies nicht zu einer Entlastung oder Beruhigung der Gruppe. Das Kind wird trotzdem unter allen Umständen versucht in der Einrichtung zu halten. Ein Wechsel aus einer Familiengruppe in eine andere, ist die Vortäuschung einer Lösung die auf Zeitgewinn und dem Verbleib der Pflegesätze abzielt. Das Ergebniss ist die Duplizität der Ereignisse, nur in einer anderen Familiengruppe und einer wohltuenden Distanz als ehemals betroffenes Elternpaar, was nicht wirklich weiterhilft, erst recht nicht dem Kind. Für das Kind wird Zeit verloren, Sozialkompetenz kann nicht zielgerichtet vermittelt werden.