Montag, 19. April 2010

Kinderdorfeltern, ein Job mit Verfallsdatum

Kinderdorfeltern werden ausschließlich für einen Lebensabschnitt der Pflegekinder gesucht und eingestellt. Die Beschäftigung auf Zeit wird nicht ausformuliert im Arbeitsvertrag. Für die Zeit der Unterbringung der Pflegekinder, ein Zeitraum zwischen 3 und 10 Jahren, in Ausnahmefällen auch 15 Jahren, verändern die Kinderdorfeltern, oft mit eigenen Kindern, ihre Lebenssituation vollständig. Jede Kinderdorfeinrichtung hat sogenannte Übergangswohnformen für die Kinder. Auf dem Papier wird konzeptionell mit der Verselbständigung der Heranwachsenden und Jugendlichen argumentiert. In der Praxis ist dies eher die Beschreibung eines Betreuungszustandes, der dem des sich Selbstüberlassens am Treffensten beschreibt. Eine Neubelegung der Kinderdorffamilie und damit die Gestaltung einer Beschäftigungsperspektive ist in der Theorie möglich in der Praxis aber nicht bindender Vertragsgegenstand des Arbeitsvertrages.
Die neu gewählte Lebensform ist unbekannt und nicht planbar. Außer der materiellen Abhängigkeit von Trägerverein ist das Elternpaar auch menschlich und fachlich abhängig von der Institution. Es gibt keine Standards nach denen beispielsweise Hilfe in Kinderdorfsituationen ermöglicht wird. Es ist in erster Linie abhängig vom guten Willen der sogenannten Erziehungsleitung. Diese ist in der Regel in der Kinderdorfrang- und Kompetenzfolge, der oder die direkte Vorgesetzte. Der Unterschied zur Erziehungsleitung besteht in der Tatsache, das Kinderdorfeltern sich 24 Stunden mit den Pflegekindern konfrontieren, die Erziehungsleitung gegen 17.00 Uhr Feierabend hat. Die Sichtweise auf die durch die Pflegekinder provozierten Problemstellungen kann von Natur aus unterschiedlich sein. Der Grad der persönlichen Betroffenheit ist völlig unterschiedlich. Die Erziehungsleitung ist weisungsbefugt, ein sprachlicher Austausch kann stattfinden, muß aber auf keinen Fall. Es ist also die Beschreibung von menschlichen Qualitäten, und wer kann dies vor dem Einstellungstermin beurteilen, wenn ein Konsens in Erziehungsfragen angestrengt oder erzielt wird. Willkür findet immer statt um Machtverhältnisse und fachliche Kompetenz vereinfacht darstellen zu wollen.
Kinderdorfeltern bringen in der Regel ihren Hausstand in die neue Kinderdorffamilie ein. Die Notwendigkeit zur Anschaffung eines größeren Autos ergibt sich zwangsläufig. Es sind die Kinderdorfeltern, die diese Neuanschaffung tätigen. Dem Mehrbedarf, sprich der größere Wert des Autos, wird im Vergleich zur Kleinfamilie nicht Rechnung getragen. Nicht nur dies, sondern auch die Abrechnungspraxis der gefahrenen Kilometer für die Kinderdorffamilie, ist ungerecht weil hier auf Kosten der Kinderdorfeltern gewirtschaftet wird.

Sonntag, 10. Januar 2010

Eintrag auf Wikipedia.de

http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Albert-Schweitzer-Kinderdorf&stable=0&shownotice=1#Die_Kinderdorffamilien

Dieser Eintrag ist insofern von Wichtigkeit, weil er offensichtlich zensiert wird, um ein anders Wort für Moderation zu wählen. Der Bundesverband der Albert-Schweitzer-Kinderdörfer streicht kritische Inhalte. Aber trotzdem ist es möglich zwischen den Zeilen Kritikwürdiges zur Unterbringungsform von Kindern und Jugendlichen, zu erkennen.
Die Albert-Schweitzer-Kinderdörfer und -Familienwerke sehen sich heute als qualifizierter Dienstleister von Menschen für Menschen. Unabhängig von Religion, Herkunft oder Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen, werden Kinder, Jugendliche und Familien in ihrer Entwicklung gefördert. Ein respektvolles und gewaltfreies Miteinander ist dafür besonders wichtig.
Das Wort "respektvoll" ist unglücklich gewählt weil unangebracht. Kinder sind nicht nur unterzubringen, oder wie es im Wikipedia Text heißt, zu betreuen. Die stolzen Pflegesätze die die Jugendämter für diese Form der Unterbringung bezahlen, müssen genutzt werden um die Defizite der Kinder zu bearbeiten und natürlich deren Talente zu fördern. Dies geschieht nur sehr begrenzt mit dem Charakter einer Alibi-Aktion. Chancengleichheit für die Fördermöglichkeiten bei den anvertrauten Kindern existiert faktisch nicht. Ist das "respektvoll"?

Montag, 26. Oktober 2009

Ungeeignet für eine Therapie?

Wer in einem Kinderdorf arbeiten will, sollte ungefähr wissen was in einer "familienähnlichen" Situation passieren kann. Besondere Verhaltensauffälligkeiten bei Pflegekindern, was in der Praxis die Regel ist und somit nicht besonders hervorgehoben gehört, werden in der Regel mit einem Therapiegespräch begegnet. Den Jugendämtern gegenüber wird mit dem Vorzug eines einrichtungsinternen Psychologen versucht zu punkten. Der Istzustand eines fremduntergebrachten Kindes wird mit einem sogenannten Aufnahmegespräch mit dem Kind festgestellt. Eine zweite unabhängige Einschätzung wird nicht eingeholt, das erstellte Protokoll wird zur Meinungsbildung und Zukunftsgestaltung für das Pflegekind benutzt und oft fahrlässig bei sogenannten Hilfeplangesprächen verwendet. Das Meinungsmonopol des einrichtungseigenen Psychologen ist in den seltensten Fällen förderlich im Sinne zum Wohl des Kindes. Eine als dramatisch geschilderte Aufnahmesituation, läßt sich schon nach kurzer Zeit als Erfolg bei der gewählten Unterbringungsform, darstellen. Motto: Die Einrichtung tut dem Kind gut.
In Kinderdörfern werden längst nicht mehr nach dem Kriterium einer familienverträglichen Unterbringung, hilfebedürftige Kinder fremduntergebracht. Geschwisterpaare und Gruppen werden nicht, wie zu Gründerzeiten üblich, zusammen in Pflegefamilien versorgt. Die Kinderdorfidee ist überlebt und nicht mehr als zeitgemäße Unterbringungsform zu bezeichnen. Es sind die wirtschaftlichen Zwänge, die dazu führen, das auch Kinder mit größten seelischen und geistigen Defekten in einem Kinderdorf aufgenommen werden. Nicht selten wird wider besseren Wissens, das kritische Studium der Personenakte aus der Kinder- und Jugendpsychatrie hätte genügt, eine Unterbringung in einem "familienähnlichen" Verbund probiert und experimentiert. Der Preis ist unkalkulierbar. Das was früher einmal Kinderdorffamilie genannt wurde, kommt nie zur Ruhe und bekommt nie den stabilisierenden Status einer Familie. An der Idee eines stärkenden Verbundes für den Einzelnen kann nicht gearbeitet werden. Die Eltern haben bei der Zusammensetzung ihrer Kindergruppe praktisch kein Mitspracherecht, weil unter wirtschaftlichen Aspekten längst alles aufgenommen wird was angeboten wird.
Eine besonders ausgeprägte Form von Ohnmacht erlebt man als Pflegeeltern, wenn nach nicht übersehbaren Verhaltensauffälligkeiten, dann doch die Hilfe und Mitarbeit eines einrichtungsfremden Psychologen in Anspruch genommen werden muß. Was macht man, wenn diese unabhängige Fachkraft die Feststellung trifft, Ihr Pflegekind ist für eine Therapie ungeeignet! ? Was man längst selbst geahnt hat, reift zu einer Erkenntnis. Bedauerlicherweise führt dies nicht zu einer Entlastung oder Beruhigung der Gruppe. Das Kind wird trotzdem unter allen Umständen versucht in der Einrichtung zu halten. Ein Wechsel aus einer Familiengruppe in eine andere, ist die Vortäuschung einer Lösung die auf Zeitgewinn und dem Verbleib der Pflegesätze abzielt. Das Ergebniss ist die Duplizität der Ereignisse, nur in einer anderen Familiengruppe und einer wohltuenden Distanz als ehemals betroffenes Elternpaar, was nicht wirklich weiterhilft, erst recht nicht dem Kind. Für das Kind wird Zeit verloren, Sozialkompetenz kann nicht zielgerichtet vermittelt werden.

Donnerstag, 27. August 2009

Wo bleiben die leiblichen Kinder?


Ambitionierte Eltern, die mit dem Gedanken spielen, Kinderdorfeltern werden zu wollen, sollten Ihre eigenen leiblichen Kinder im Fokus behalten. Niemand wird den Eltern vollständig Auskunft geben, was sie bei der neuen Aufgabe erwartet. Die Kinderdorfidee hat sich nach über 50 Jahren gründlich geändert und sie spricht auch heut nur noch Menschen an, die eine Tendenz zur Selbstausbeutung haben.

In der Stellenanzeige eines Trägervereins in Norddeutschland, für Kinderdorfeltern steht beispielsweise:

Sie haben die Chance, Arbeitsplatz und Privatleben unkonventionell miteinander in Einklang zu bringen. Sie erhalten eine umfassende Unterstützung durch weitere Fachkräfte in der Familie.

Dieser Satz ist insofern von Bedeutung, weil hier die ganze Tragweite des eigenen Tuns und der Verantwortung angetippt wurde. Das Wort Chance bedeutet, keine Garantie. Sollte ich scheitern, trage ich die Verantwortung, will sagen, ich hätte wissen müssen auf was ich mich einlasse. Das Wort "unkonventionell" ist eine diplomatische Umschreibung, für chaotische und menschlich belastende Verhältnisse. Was ist es sonst, wenn traumatisierte Pflegekinder auf Weisung des Jugendamtes die drogensüchtige leibliche Mutter besuchen müssen (Eltern- Kindkontakt ist Bestanddteil der Hilfeplangespräche), z.b. über die Weihnachtsfeiertage, und nach dem Besuch mit all ihren Agressionen und Verunsicherungen wieder aufgefangen werden müssen. Die Pflegefamilie ist nach einem Eltern-Kind Kontakt ein Unruhezustand.

Dies wird auch den eigenen leiblichen Kindern zugemutet. Die frühkindliche Konfrontation mit Elend und Not in Familien, bedeutet nicht zwingend eine Entwicklungsförderung für den eigenen Nachwuchs. Das Gegenteil ist der Fall. Das eigene Kind ist ständig und stetig einem Konkurenzverhältnis ausgesetzt. Ich behaupte, das es auch traumatisiert wird, wenn es nicht in die Familiensituation hineingeboren wurde. Kinder der Kinderdorfeltern verlieren ein stückweit ihre Eltern, weil sie die Aufmerksamkeit und Orientierung teilen müssen. Sie sind in einem Wettbewerbsnachteil, weil die Techniken und Möglichkeiten der Pflegekinder im Streben nach Zuwendung und Aufmerksamkeit, in der Regel erfolgreicher sind, im Vergleich zu denen des eigenen Kindes, für das die elterliche Zuwendung bisher selbstverständlich war.

In Kinderdorffamilien gibt es sexuelle Übergriffe unter Kindern, und das nicht selten. Auch die leiblichen Kinder sind dieser Gefahr ausgesetzt und oftmals Opfer. Diesbezüglich werden keine Statistiken geführt, auch bei den Jugendämtern werden keine Zahlen bereitgehalten. Dies ist ein Hinweis, das dieses offensichtlich bestehende Problem ungelöst ist und unter Verschluß gehalten wird. Für die Kinder gilt: Geschehenes kann nicht ungeschehen gemacht werden. Für die Einrichtung gilt: Sie wußten von der Problematik Ihrer Pflegekinder. Als Hauseltern tragen Sie die Verantwortung.

Freitag, 14. August 2009

Traumatisierte Kinder

Kinderdorfkinder sind in 90 % aller Fälle höchst traumatiesiert. Eltern, die mit dem Gedanken spielen, eine Kinderdorftätigkeit aufzunehmen, müssen wissen, das viele Kinder entweder direkt aus der Kinder- und Jugendpsychatrie kommen oder einen Hintergrund aus der Kinder- und Jugendpsychatrie haben. Ein Kinderdorfplatz kostet dem belegenden Jugendamt sehr viel Geld, um die 3.500,-- Euro pro Kind pro Monat, mit der Möglichkeit für individuelle Hilfen zusätzlich, was von Jugendamt zu Jugendamt unterschiedlich ist und als Kannbestimmung nach Haushaltslage gehandhabt werden kann. Kinderdorfeltern müssen für Ihre Pflegekinder in den allermeisten Fällen Therapiebegleitung leisten. Was bei meist sechs Pflegekindern ein Detail der organisatorischen Herkulesaufgabe ist.
Nur in Ausnahmefällen wird die Kontaktpflege zur Herkunftsfamilie seitens des Jugendamtes unterbunden. Wobei es keine Ausnahmesituation ist, wenn Drogen- und Alkoholmißbrauch in der Herkunftsfamilie einschlägig bekannt ist.
Kinderdorfeltern müssen diese Besuchskontakte organisieren und anschließend Zweifel an der Sinnhaftigkeit Ihrer Arbeit hegen. Eine Arbeit fürs Kindeswohl wäre ein Umfeld zu schaffen, wo das Kind Ruhe und Geborgenheit findest. Ein Besuchskontakt zum gewalttätig gewordenen Vater oder der im Gefängnis sitzenden Mutter stellt dies in Frage. Ein positiver Entwicklungsverlauf findet höchstens in sehr reduzierter Form statt.

Donnerstag, 13. August 2009

Es gibt keine Standards

Ich verfolge die Entwicklung der Kinderdorfidee seit über 40 Jahren, mehr oder weniger aktiv. Da ich in einem Kinderdorf aufgewachsen bin und auch als junger Erwachsener den Kontakt bis heute halten konnte, kann ich beurteilen wie weit sich die ursprüngliche Idee des familären Ansatzes zur heutigen Unterbringungs- und Versorgungspraxis entwickelt hat.
Die Kinderdorfidee hat vor über 50 Jahren, auch nur deshalb eine Chance bekommen, weil die zuständigen Jugendämter als Beleger dieser Einrichtungen, stark begrenzte Möglichkeiten hatten und haben, Kinder aus problematischen Herkunftsfamilien unterzubringen. Es sind die Jugendämter die sich die Arbeit einfach machen, gestern wie heute. Es werden Aufgaben an den jeweiligen Trägerverein weitergereicht, wohlwissend das etwaige Standardanforderungen, wie sie für Adoptiveltern gelten, im Kinderdorf nicht berücksichtigt werden müssen. Eine Controllinginstanz ist nicht vorgesehen. Die jeweiligen Landkreis- oder Stadtverwaltungen, die die Mittel für die Unterbringung der Kinder über die Jugendämter zur Verfügung stellen, überprüfen so gut wie nie den Gegenwert, den sie bei Entrichtung der Pflegesätze bekommen müßten. Jugendämter und Kinderdörfer arbeiten niemals ergebnisverantwortlich. Es gibt nicht, wie in der freien Wirtschaft durchaus üblich, etwa eine Zielvereinbahrung. Dies erklärt warum es keine aussagekräftigen und überprüfbare Statistiken über den Lebensweg der ehemaligen Kinderdorfkinder gibt. Die Kinderdorfidee ist kein Erfolgsmodell und gehört gründlich im Interesse aller Betroffenen, insbesondere der Pflegekinder, auf den Prüfstand gestellt.